Rezension: Versteh mich nicht falsch!
Julia Grosse und Judith Reker veröffentlichten das Handbuch "Versteh mich nicht falsch! Gesten weltweit". Die Weltneugier rezensiert.
Spätestens seit dem großen deutschen Soziologen Niklas Luhmann ist die Unwahrscheinlichkeit erfolgreicher Kommunikation auch theoretisch verbrieft. Und tatsächlich, unsere Alltagserfahrung scheint diese Theorie zu bestätigen.
Wer kennt nicht das Problem, während des Urlaubs oder eines Auslandaufenthaltes auf Sprachbarrieren zu stoßen? In der Regel versucht man sich in solchen Fällen mit Handzeichen und Gesten zu behelfen. Aber auch im Sprechen mit Händen (und Füßen) liegt – so werden wir im Folgenden lernen – einiges an Konfliktpotenzial. Mögen Gesten auf den ersten Blick relativ deutlich und erfolgversprechend sein, können sie je nach Land eine sehr unterschiedliche Bedeutung haben.
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Die beiden Auslandskorrespondentinnen Julia Grosse (London) und Judith Reker (Johannesburg) haben diesem Phänomen – zusammen mit dem Hamburger Portrait- und Modefotograf Florian Bong-Kil Grosse – ein kleines, praktisches Handbuch mit dem Titel: »Versteh mich nicht falsch! Gesten weltweit« gewidmet. Über einen Zeitraum von fast 1,5 Jahren sammelten sie in 50 Ländern Gesten und Handzeichen, die auf 128 Seiten und 78 Farbfotografien dokumentiert sind.
Hände sagen mehr als tausend Worte
Auf den meisten Fußballplätzen lässt sich die folgende Situation beobachten: Während des Spiels erreicht ein lang gespielter Pass nicht sein Ziel, doch der Mitspieler muntert den Passgeber mit kurzem Beifall und hoch gestreckten Daumen auf. Gute Idee, Daumen hoch!!! Die meisten Europäer verstehen die Geste als positives Signal.
Würde man dasselbe Handzeichen allerdings in Afghanistan, im Iran oder Irak machen, dürfte es Ärger geben. Denn hier gilt der Fingerzeig als vulgäre Beleidigung, deren exakte Bedeutung man nicht mal schriftlich äußern sollte.
Jeder Tauchanfänger lernt normalerweise, dass ein mit Daumen und Zeigefinger gebildeter Kreis den Tauchpartnern in der Tiefe zeigt: »Alles in Ordnung«. Auch in Kanada, der Schweiz und Mexiko meint die Geste: »Perfekt!« Allerdings sollte man sie in Brasilien vermeiden, denn hier beschimpft man den Gegenüber auf vulgäre Weise als »A****loch!«
Die letzte Geste gehört inzwischen zum Inventar eines jeden Rock- oder Metalkonzerts: Ausgestreckter Zeigefinger und der kleine Finger sind als »Metal Horns«, »Das rockt!« – liebevoll auch als »Pommesgabel« bezeichnet – in Deutschland, England, Polen, Russland, Schweden und USA Ausdruck der Zustimmung.
In Argentinien wird die Geste zum Schutz gegen Unheil benutzt und in Italien sollte man sich hüten, diese seinem Gegenüber zu zeigen. Hier meint sie die »Hörner«, die eine untreue Ehefrau ihrem ahnungslosen Gatten »aufsetzt«, indem sie ihm fremdgeht. Hier schließt sich dann wohl auch wieder der Kreis zu Sex, Drugs & Rock’n’Roll…
Ein Handbuch im wörtlichen Sinne
Schon diese Beispiele zeigen, dass Kommunikation auch auf dieser relativ einfachen Ebene eine Menge Fallstricke und Möglichkeiten der Fehlinterpretation birgt, die – einmal gezeigt – auch durch wortreiche Entschuldigungen nur schwer zu beheben sind.
Grosse und Reker nähern sich dem Thema allerdings mit einer gehörigen Portion Humor, indem sie feine, freche und kuriose Gesten nebeneinander stellen, diese aber nur mit kurzen Texten versehen und so dem Leser Platz für die eigenen Erfahrungen bzw. Erklärungsversuche lassen. Und gerade im Zusammenspiel von kurzen Textkommentaren und starken Bildern spielt dieses kleine, hochwertig produzierte Buch (gedruckt bei der Traditionsdruckerei Messedruck Leipzig) seine Stärke aus.
Wir lernen: Auch Hände sprechen ihre ganze eigene Sprache, deren Vielfalt der Leser hier anhand von vielen Beispielen präsentiert bekommt. »Versteh mich nicht falsch! Gesten weltweit« ist im wahrsten Sinne des Wortes ein »Hand«-Buch, das – nicht nur aufgrund seines kompakten Formats – in keinem Reisehandgepäck fehlen sollte.
Kurzinfo:
Julia Grosse & Judith Reker:
Versteh mich nicht falsch! Gesten weltweit. Das Handbuch.
Bierke Verlag München, 3. Auflage 2010
Preis: 14,90 Euro – überall im Buchhandel erhältlich.
PS: Und nein, wir werden nicht den Fehler begehen, das Buch mit der »Daumen hoch«-Geste zu loben ;-)
Alle Fotos: Florian Bong-Kil Grosse