Mein Schuljahr in Irland
Träumen nicht viele Schüler von einem Schuljahr im Ausland? Neue Welten sehen und den eigenen Horizont erweitern – dieser Traum wurde mir erfüllt!
Träumen nicht viele Schüler davon, dem Schuljahr im Ausland? Einfach ein Jahr weg aus dem gewohnten Umfeld, raus aus der »Comfort Zone«, hinaus in die Welt. Eine neue Kultur kennenlernen, neue Freundschaften schließen, eine fremde Sprache kennenlernen oder verbessern, für ein Jahr eine andere Schule besuchen – und das alles, während man bei einer netten Gastfamilie wohnt. Neue Eindrücke zu gewinnen, neue Welten zu sehen und seinen eigenen Horizont zu erweitern – dieser Traum wurde mir in meinem Auslandsjahr in Irland erfüllt!
Den Traum von einem Schuljahr im Ausland hatte ich schon früh, und für mich war immer schon klar, dass es ein englischsprachiges Land sein sollte. Ich hatte mich schnell für Irland entschieden. Das erste Mal beeindruckt hat mich die grüne Insel, als ich mit meiner Familie die Expo 2015 in Mailand besucht habe. Nach einem Kurzurlaub mit meinem Papa in Irland im Sommer 2018 stand es dann endgültig fest. Ich würde ein High School Year in Irland verbringen.
Schüleraustausch Irland
Nachdem ich im Schuljahr 2018/19 die zehnte Klasse absolviert hatte, ging am 28. August 2019 mein Flieger nach Dublin. Dort war ich zwei Tage lang in einem Welcome-Camp, wo ich viele andere »Internationals« kennenlernen durfte, die auch ein Jahr in Irland verbringen würden.
Nach der Erkundung Dublins und einem Einführungs-Seminar ging es am dritten Tag endlich in die Gastfamilien! Es war ein typisch irisch verregneter Tag, das weiß ich noch. Mit Bussen wurden wir in drei großen Gruppen in die Countys gefahren, wo wir nun leben würden. Ich saß im Bus nach Galway. Dort holten mich meine Gasteltern mit dem Auto ab und brachten mich in mein neues Zuhause, mitten auf dem Land. Was soll ich sagen, wir verstanden uns auf Anhieb bestens!
Im County Galway, im Westen von Irland, durfte ich als Stadtkind von nun an auf einer Farm leben, was mir die größte Freude bereitete. Der nächste größere Ort war Tuam, ein Städtchen mit 10.000 Einwohnern, wo ich auch zur Schule gehen würde. Ich merkte schnell, dass ich mit meiner Gastfamilie großes Glück hatte. Zu meinen Familienmitgliedern gehörte außer meinen irischen Gasteltern auch eine belgische Gastschwester. Mit ihr habe ich sehr viel Zeit verbracht, sodass wir uns während des Jahres eng angefreundet haben.
Meine Gastmutter hat uns einige Male auf Verwandtschaftstreffen oder Ausflüge zu dritt mitgenommen – ohne Auto ist dort leider nicht viel zu machen. Gearbeitet hat sie unter der Woche in Galway, das 30 Kilometer von der Farm entfernt ist. Mein Gastvater arbeitet in einer sozialen Einrichtung, hat einen sehr zeitaufwändigen Job und übernimmt auch Nachtschichten. Außerdem kümmert er sich um etliche Kühe, sehr viele Schafe, Hühner, Enten, Gänse, drei Esel und drei Hunde auf der Farm. Er hat sich immer gefreut, wenn ich draußen bei den Tieren Zeit mit ihm verbracht habe oder wenn wir abends vor dem Fernseher am Kamin unsere Tage mit ihm ausklingen ließen. Zu beiden meinen Gasteltern hatte ich ein sehr gutes Verhältnis. Deren eigene Kinder, die Mitte 20 sind und in Dublin studieren, kamen ab und zu mit ihren Partnern am Wochenende zu Besuch. Meine Gastfamilie war einfach perfekt, sie hätte nicht besser passen können.
Nach einem kurzen Wochenende des Ankommens ging am Montag für uns die Schule los. Zur Schule hat mich und meine belgische Gastschwester der lokale Schulbus gebracht, der uns morgens an der Kirche abgeholt hat. Wir besuchten eine katholische Mädchenschule, in der Schuluniform getragen wird. Im Schulhaus waren die sechs Jahrgänge »1st Year« bis »6th Year« der »Secondary School«, von welcher ich das »5th Year« absolvierte.
In der Früh hatten wir »Assembly«, das waren meistens Versammlungen der ganzen Schule mit dem gesamten Kollegiat. In der Regel berichtete unser Schulleiter (der sehr nett war und sich auch um uns sorgte) über Organisatorisches oder der Schulchor, das Schulorchester oder beispielsweise die Umweltgruppe trugen etwas vor. An anderen Tagen hat sich nur unser Jahrgang mit unserem »Year Head« versammelt.
Dann ging es in den Unterricht. Die Schulstunden dauerten 40 Minuten. Nach jeweils drei Stunden hatten wir eine Pause, nach der sechsten die Mittagspause. Leider durften wir das Schulgelände nicht verlassen, also aßen wir immer von zu Hause mitgebrachten Lunch. Es gab zwar auch eine Mensa, aber die Schlange war meist sehr lang und es war sehr laut. Bekocht wurde die Schule von einem deutschen Koch (seine Spezialität waren Käsespätzle) und seiner südafrikanischen Frau. Im Anschluss hatten wir jeden Tag bis vier Uhr Nachmittagsunterricht, sodass es im Winter schon dunkel war, wenn der Schulbus uns endlich gegen fünf Uhr bis vor die Haustüre gebracht hat.
Mit allen Lehrern kam ich sehr gut klar, sie waren alle sehr sympathische, herzliche Menschen. Auch mit meinem Englischverständnis hatte ich nie Probleme, und wenn man doch einmal etwas nicht verstanden hat – wir waren am Anfang des Schuljahres ca. 30 Internationals aus sieben Ländern – zeigten die Lehrer viel Rücksicht.
Mit meiner Fächerwahl war ich sehr zufrieden. Neben Fächern wie Englisch, Deutsch, Mathe und Geographie hatte ich zum Beispiel »Agricultural Science«. Dabei ging es um den biologischen und chemischen Hintergrund der Landwirtschaft. Außerdem hatte ich »Home Economics«, wo wir uns die ersten Monate intensiv mit Ernährung in chemischer Hinsicht beschäftigt haben. Meiner Meinung nach kommt das in Deutschland viel zu knapp. Auch unser Fach »Computer Science« war viel praktischer und mehr auf das Leben bezogen als das Fach Informatik, wie ich es bisher in Deutschland kennengelernt habe. Das Gleiche betrifft das dortige Fach »LCVP« – Leaving Certificate Vocational Program -, das einen sehr gut auf das spätere Berufsleben vorbereitet. Wir haben beispielsweise Lebensläufe und Bewerbungsschreiben verfasst, aber auch Leiter von Unternehmen und Wohltätigkeitsorganisationen zu uns in den Unterricht eingeladen, die uns Vorträge über deren Job und ihre Führungsposition und den Weg dorthin gehalten haben.
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Alles in allem fand ich es allerdings anstrengend, nur unter Mädchen zu sein. Weil ich dies nicht gewohnt war, empfand ich die Stimmung als sehr speziell. Zudem konnte ich mich nicht mit der Mentalität der irischen »Country Girls« an meiner Schule identifizieren. Deswegen bin ich nach wie vor froh, dass wir Internationals gemeinsam in einem Boot saßen. Schnell bildete sich eine Clique aus zwei Italienerinnen, einer Schweizerin und mir (zu denen ich im Übrigen noch viel Kontakt halte). Toll war, dass wir ausschließlich Englisch gesprochen haben, während sich die anderen Internationals meist in ihrer Muttersprache unterhalten haben.
Eines meiner Highlights war das Queen-Musical »We Will Rock You«. Meine Schweizer Freundin und ich hatten die Ehre, nach einem Casting, an dem über 70 Schülerinnen teilnahmen, als zwei von 30 Mädchen am alljährigen Schulmusical mit der benachbarten Jungenschule mitzuwirken. Dadurch lernten wir viele Mädchen unserer Schule und Jungs der Jungenschule besser kennen. Ich hatte sogar eine kleine Sprechrolle als eine der »Bohemians«. Zwar dauerte die Probenzeit über drei Monate und war sehr anstrengend, trotzdem hatten wir unseren allergrößten Spaß, bei dem Musical mitsingen und mitspielen zu dürfen.
Doch ich war ja nicht in Irland, nur um die Schule zu besuchen, schließlich wollte ich auch etwas vom Land sehen. Fast jedes Wochenende bin ich mit meiner Gastschwester oder Freundinnen mit dem Bus nach Galway an die Westküste gefahren. In diese Stadt habe ich mich gleich am ersten Tag verliebt. So ein buntes, alternatives, junges, grünes, lebendiges, am Meer gelegenes Städtchen voller Secondhand- und Vintage-Läden, Bücher- und Schallplatten-Läden, mit den schönsten Cafés in den verstecktesten Ecken, den coolsten »Takeaway Food Stores« und dem schönsten Markt am Samstag! Die Straßen sind jeden Tag belebt von bummelnden Menschenmassen und die berühmten Straßenmusiker – »The Buskers« – spielen bei jedem Wetter Musik vor den Geschäften im Stadtzentrum. Sobald die Sonne scheint, sitzen die Menschen dort am Fluss Corrib, der ins Meer fließt. Natürlich war ich ein paar Mal im sehr kalten Meer, unter anderem an meinem Geburtstag im Dezember.
Weihnachten feiert man in Irland wie in Großbritannien am 25. Dezember. Mit der ganzen Großfamilie waren wir vormittags in der Kirche, haben anschließend einen Spaziergang gemacht und am Nachmittag gab es ein großes Festessen.
Im Februar, als wir eine Woche Ferien hatten, durften meine Gastschwester, eine Freundin und ich ein paar Nächte bei einer Gastfamilie in Cork verbringen, die uns die Partnerorganisation vor Ort vermittelt hatte. So hatten wir die Gelegenheit, noch eine andere spannende Großstadt im Süden Irlands kennenzulernen, in der Dialekt und Mentalität anders waren als im Westen oder auch in Dublin.
Im Frühling kalbten die Kühe und die Schafe brachten Lämmer zur Welt, von denen einige mit der Flasche gefüttert werden mussten. Mein Gastvater hatte also alle Hände voll zu tun. Eines Tages brachte er einen »Sheep Dog«-Welpen mit nach Hause, den er mir in die Arme drückte. Das war einer meiner schönsten Momente. Von nun an durfte ich sie abends auf der Farm besuchen, mit ihr spielen und spazieren gehen. Ich vermisse sie so sehr! Einige der Lämmer konnte ich leider gar nicht mehr kennenlernen – denn dann kam Corona.
Eigentlich wollte ich im Frühling zwei Freundinnen in Westford besuchen, an einem Surfkurs teilnehmen und Reitstunden nehmen, die »Cliffs of Moher« besuchen, einen Tagestrip nach Limerick machen und noch einmal nach Dublin fahren. Doch dann ging alles ganz schnell. Nach einer Woche Home Schooling in Irland – wir konnten gar nichts mehr unternehmen, weil nicht einmal mehr Busse fuhren – war ich plötzlich Ende März vorzeitig wieder zu Hause, wie so viele andere Gastschüler auch.
Trotz dieses abrupten Endes hatte ich eine tolle Zeit und ich lege es jedem, der die Chance bekommt, ein Schuljahr im Ausland zu verbringen, ans Herz, die Chance zu nutzen. In diesen Monaten habe ich so viel gelernt und so viele tolle Erfahrungen gemacht, Lebenseindrücke gesammelt und wunderbare Menschen kennengelernt. Ich würde es genau so wieder machen!
Eure Emilia